Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die olympischen Spiele – egal ob im Sommer oder Winter – faszinieren Groß und Klein auf der ganzen Welt.
Menschen fiebern diesem friedlichen Volksfest mit sportlichen Höchstleistungen entgegen. Sportlerinnen und Sportlern sind stolz darauf für ihr Land anzutreten.
Und nicht selten werden sich endlich die jahrelangen Entbehrungen durch hartes Training auszahlen. Für viele ist eine olympische Medaille die Krönung ihrer sportlichen Karriere.
Doch der olympische Gedanke enthält mehr als das faire Ringen um Medaillen.
Nach der Olympischen Charta wird allen Menschen ungeachtet ihrer Rasse, ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Orientierung die Teilnahme an den Olympischen Spielen garantiert!
Die Frage ist: Gilt die Charta auch für Sotschi? Oder ist in Russland dieser Tage alles anders?
Kremlchef Wladimir Putin hat ein Anti-Homosexuellen-Gesetz erlassen. Dieses belegt „zustimmende“ oder „positive“ Äußerungen über Homosexualität im Beisein von Jugendlichen unter 18 mit hohen Geldstrafen. Damit kann sich künftig jeder strafbar machen, der sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekennt.
Werden plötzlich gleichgeschlechtliche Paare, die Hand in Hand durch die Straßen gehen oder mit der Regenbogenfahne zur Medaillenübergabe erscheinen, verhaftet?
Werden Kritiker genau so behandelt wie die russischen Aktivistinnen von Pussy Riot oder Michail Chodorkowski? Einfach weggesperrt – unabhängig von weltweiter Bestürzung und Kritik?
Ich finde es grotesk, dass die Welt zu einem sportlichen Großereignis in einem Land zu Gast ist, in dem per Gesetz gegen Schwule und Lesben gehetzt wird.
Das ist nicht akzeptabel!
Alle müssen willkommen sein!
Wir müssen Russland ein Zeichen senden, dass wir eine Diskriminierung von Minderheiten nicht akzeptieren. Nicht nur im Sinne aktiver homosexueller Wintersportlerinnen und Wintersportler.
Wenn Putin in der Presse zwar Homosexuelle willkommen heißt, aber gleichzeitig davor warnt, Kinder in Ruhe zu lassen –dann zeigt das doch: hier ist ein grundsätzliches Verständnis nicht vorhanden.
Die internationale Kritik scheint in Russland leider ebenso ungehört zu verhallen, wie die Rücknahme des – wie es heißt, „Verbots von Homosexuellen-Propaganda“.
Das ist eine Gefahr für die Menschenrechte!
Und das Thema Menschenrechte in Bezug auf Sotschi muss noch weiter gefasst werden: Die erhoffte Stärkung der zivilgesellschaftlichen Kräfte hat es mit der Vergabe der Olympischen Spiele in die Stadt auf der Krim nicht gegeben.
Ganz im Gegenteil: Ich möchte in diesem Zusammenhang gar nicht über die Zwangsenteignungen und Umsiedelungen von Bürgerinnen und Bürgern reden.
Für den Bau der Sportstätten und der Infrastruktur verloren Dutzende ihre Heimat – Entschädigung Fehlanzeige!
Natürlich müssen folgende Fragen an das Internationale Olympische Komitee gestellt werden:
Müssen nicht endlich menschenrechtliche Kriterien für die Vergabe von sportlichen Großveranstaltungen eingehalten werden?
Und diese auch im Zeitverlauf überprüft werden?
Und müssen nicht notfalls Konsequenzen mit dem Entzug der Veranstaltung einhergehen?
Die Athletinnen und Athleten wollen friedliche – wie es der Name schon sagt: Spiele.
Es ist für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten eine Selbstverständlichkeit uns für die Meinungsfreiheit aller einzusetzen –in Sotschi und überall auf der Welt.
Darum stimmen wir mit den inhaltlichen Forderungen des Entschließungsantrags überein.
Wenn in Ländern Menschen wegen ihrer sexuellen Identität, ihres Wunsches nach Selbstbestimmung oder weil sie politisch aktiv sind, ausgegrenzt oder juristisch verfolgt werden, dann gilt für uns die Null-Toleranz-Grenze!
Wer, wenn nicht Deutschland, muss als gutes Beispiel in dieser Angelegenheit vorangehen.
Ich gehe aber noch einen Schritt weiter: Die im Antrag angesprochenen Forderungen gehen uns nicht weit genug:
Der Landtag muss die Landesregierung bitten, sich (Zitat) „1. für das Recht auf Meinungsfreiheit und gegen Nachteile von Sportlerinnen und Sportlern bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi einzusetzen.“
Wir meinen, dass die Meinungsfreiheit für alle gelten muss – egal ob Sportler, Zuschauer oder auch alle Bürgerinnen und Bürger.
„Und 2. auf allen Ebenen darauf hinzuwirken, dass während der gesamten Zeit der Olympischen Spiele eine ungehinderte und objektive Berichterstattung von allen Orten auch abseits der Sportstätten gewährleistet ist.“
Sondern auch die Bundesregierung muss sich im Interesse von Deutschland mindestens für diese Ziele einsetzen.
Werte Kolleginnen und Kollegen – ich möchte noch zu bedenken geben, dass auch in unserem Land noch „Toleranz“-Potential vorhanden ist.
Wir können uns leider auch (immer noch) nicht mit der Goldmedaille für Gleichstellung schmücken: Im demokratischen Deutschland sind homosexuelle Politikerinnen und Politiker in Ministerämtern keine Seltenheit mehr – das ist auch gut so!
Die Debatte im Zuge des Outings von Fußballer Thomas Hitzelsberger hat mich aber nachdenklich gemacht. Der ehemalige Nationalspieler hat den Zeitpunkt zwar bewusst vor Sotschi gewählt, jedoch erst nach seiner aktiven Zeit als Sportler.
Ein Zeichen soll es dennoch sein – in Sachen von Gleichstellung von homosexuellen Paaren gibt es gesetzlich auch in Deutschland noch viel zu tun.
Fast zwei Wochen nach dem Hitzlsperger Interview bestätigt sich das. In einschlägigen Internetforen sind Schwule und Lesben unzähligen Pöbeleien ausgesetzt.
Wenn in Baden-Württemberg Lehrer gegen die Thematisierung von Homosexualität im Lehrplan Unterschriften sammeln, dann ist das ein starkes Stück!
Toleranz umfasst neben Kriterien wie Religion, Herkunft oder Hautfarbe auch die sexuelle Selbstbestimmung!
Das sollte doch inzwischen bei jedem angekommen sein.
Ich hoffe darüber hinaus nicht, dass wir uns 2018 an gleicher Stelle wieder mit diesem Thema befassen müssen.
Nach den Winterspielen am Schwarzen Meer wird Sotschi auch Austragungsort der Fußball-Weltmeisterschaft der Herren 2018 sein.
Mein Wunsch ist es, dass spätestens bis dahin auch in Russland kluge Köpfe regieren.
Für die Demokratie, Liberalität und Toleranz nicht nur auf dem Papier existieren, sondern auch in der Realität.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Welt schaut in den kommenden Tagen auf Russland – wir dürfen nicht zulassen, dass im Spiegel der Öffentlichkeit, Menschen diskriminiert werden.
Trotz der Tatsache, dass die Forderungen hinsichtlich sexueller Selbstbestimmung deutlich weiter und konkreter gefasst werden könnten, freuen wir uns auf die gemeinsame Arbeit und Beratung im Ausschuss.
Vielen Dank.