Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wer einmal die Zeit hat, fernzusehen – und ich hatte jetzt leider aufgrund von Grippe Zeit; wahrscheinlich auch viele andere Kolleginnen und Kollegen -, hat bei den Fernsehsendungen den Eindruck, dass in jedem Haushalt frisch gekocht wird und bei jedem ein Drei-Gänge-Menü innerhalb von 20 Minuten auf dem Tisch steht – natürlich alles komplett ausgewogen, „frische Ernährung“ großgeschrieben.
Ernährung ist ein profitabler Markt. Vegetarisch, vegan oder der komplette Verzicht auf Zucker sind nur einige der möglichen modernen Ernährungsformen. Essen wird für einige zur Ersatzreligion. Man könnte meinen, die Gesellschaft war noch nie aufgeklärter bei dem Thema Ernährung. Neueste Zahlen belegen allerdings diese These nicht; denn es gibt sehr wohl noch viele Bürgerinnen und Bürger, denen der große Überblick über das Detailwissen zu den täglich konsumierten Lebensmitteln fehlt.
Das Zentrum für Ernährung und Hauswirtschaft soll an dieser Stelle ansetzen. Warum das dringend erforderlich ist, zeigen neue Zahlen zum Thema Ernährung und Gewicht von Kindern und Jugendlichen. Allein in Deutschland steigt seit 1975 der Anteil fettleibiger Kinder von 3 Prozent auf heute 7 Prozent der Mädchen und 11 Prozent der Jungen. Als übergewichtig werden sogar über 20 Prozent eingestuft.
Die Folgen nicht nur für die Kinder selbst, sondern auch für unser
Gesundheitssystem sind verheerend. Das Risiko für Herz- und
Kreislauferkrankungen, Diabetes und Bluthochdruck steigt. Ganz besonders kritisch ist die rapide Zunahme der Diabeteserkrankung vom Typ 2, schon bei Jugendlichen. Immer mehr Kinder haben aufgrund von Übergewicht beim Schuleintritt bereits motorische Defizite und Koordinationsstörungen. Außerdem wird der Haltungs- und Bewegungsapparat überstrapaziert. So können schon früh Schäden an Gelenken auftreten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
bei den Erwachsenen sind die Zahlen sogar noch erschreckender. Je nach Geschlecht sind es zwischen 50 und 60 Prozent der Erwachsenen, die an Übergewicht leiden. Das ist fast mehr als jeder Zweite. Die Basis für das Übergewicht ist fast immer die falsche Ernährung oder zu wenig Bewegung.
Essen ist überall und zu jeder Zeit verfügbar. Der Griff in die Kühltruhe des Discounters erscheint eine kostengünstige und schnelle Möglichkeit, ein Mittagessen auf den Tisch zu bringen. Selbst zu kochen, ist aber erwiesenermaßen auf Dauer günstiger und gesünder.
Wie genau müssen wir dafür einkaufen? Wie können wir gesund kochen? Wie können wir Reste verwerten und dabei auch noch Geld sparen? Kinder müssen angeleitet werden, wenn es um das Thema gesunde Ernährung geht. Sie sind darauf angewiesen, dass ihre Eltern ihnen von Anfang an einen verantwortungsvollen Umgang mit gesunden Lebensmitteln beibringen. Leider ist das nicht oft der Fall.
Eltern wissen selbst nicht genau, was eigentlich in den Lebensmitteln steckt oder wie man sie richtig zubereitet. Dass Schokolade und Eistee voller Zucker sind, ist allen auf den ersten Blick klar. Aber wie sieht es mit versteckten Zuckern aus? Woher soll ein Kind wissen, dass knapp 60 Würfel Zucker in einer Flasche Ketchup sind? Auch der vermeintlich gesunde Smoothie enthält mehr Zucker als die Tagesration, die die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt.
Was selbst vielen Erwachsenen nicht bewusst ist, ist für Kinder schwer zu durchschauen. An genau dieser Stelle sind Menschen gefragt, die das Thema Ernährung für Kinder und Jugendliche zugänglich machen können und dabei helfen, ein gesundes Verhältnis zu Lebensmitteln aufzubauen.
Mit einem Zentrum für Ernährung und Hauswirtschaft haben wir die Möglichkeit, eine Schnittstelle zwischen Familien, Bildungseinrichtungen, Gemeinschaftseinrichtungen zur Versorgung, Unternehmen, Experten, dem Ministerium und anderen Akteuren zu schaffen. Hier gibt es ein großes Potenzial für Zusammenarbeit.
Kinder und Jugendliche können durch geschulte Mediatoren frühzeitig über ein gesundes Essverhalten informiert werden und dabei einen verantwortungsvollen Umgang mit den Lebensmitteln lernen. Für Eltern können sie eine Stütze in der Erziehung sein und bei Fragen rund um die gesunde Ernährung als Ansprechpartner dienen. Auch Schulen sind hierbei wichtige Partner. Hauswirtschaft ist leider ein Schulfach, das unterschätzt wird.
Positiv zu erwähnen in diesem Zusammenhang ist das erfolgreiche Schulobstprogramm, welches seit der letzten Legislaturperiode niedersachsenweit in den Schulen eingeführt worden ist.
Dieses Programm muss weiter fortgesetzt werden.
Ein weiteres Beispiel für erfolgreiche Kooperationen sind Aktionstage rund um das Thema Hauswirtschaft und Kochen bei den niedersächsischen Landfrauen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine wichtige Rolle beim nachhaltigen Konsum spielt auch die Vorbeugung von Lebensmittelverschwendung. Laut einer vom Bundesernährungsministerium geförderten Studie aus dem Jahr 2012 wirft jeder Bürger pro Jahr 82 kg Lebensmittel weg. Den Verbraucherzentralen zufolge sollen es auf allen Stufen der Wertschöpfungskette insgesamt 11 Millionen t Lebensmittel mit einem Wert von 25 Milliarden Euro sein, die Jahr für Jahr im Müll landen. Gegen diese Lebensmittelverschwendung muss das bisher eingeleitete Maßnahmenpaket ausgeweitet werden.
Wir müssen uns in den nächsten Jahren dringend um eine Reformierung des Verfallsdatums auf Verpackungen einsetzen. Die Verbraucher müssen wieder lernen, sich auf ihre Sinne zu verlassen und nicht auf das Verfallsdatum. Wenn der Joghurt nicht unangenehm riecht, sich der Deckel nicht wölbt oder die Farbe nicht bedenklich aussieht, kann er noch bedenkenlos konsumiert werden, auch wenn er mehrere Wochen nach Ablauf noch im Kühlschrank steht. Es müssen Maßnahmen erarbeitet werden, die die Verbraucher für dieses Thema sensibilisieren und über die Folgen dieser Verschwendung aufklären.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das Thema Hauswirtschaft bündelt die Kompetenzen, die das Zentrum vermitteln soll. Einfache, alltägliche Dinge werden heutzutage nicht mehr vermittelt und stellen gerade junge Erwachsene vor eine große Herausforderung, wenn sie selbst auf eigenen Beinen stehen wollen. Umgang mit Geld, Hygiene und Umgang mit Nahrungsmitteln sind hier wichtige Punkte. Das Zentrum für Ernährung und Hauswirtschaft kann eine Stütze für den Eintritt in eine selbstständige Lebensweise sein.
Ich freue mich auf die Beratung der Thematik mit Ihnen gemeinsam im Unterausschuss „Verbraucherschutz“.
Danke.