Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
in den letzten Jahren haben wir auf der ganzen Welt Entwicklungen erlebt, die uns alle erschüttert haben. Internationale Kriegs- und Krisenherde sind für uns in Deutschland so greifbar geworden, wie es sich viele nicht hätten vorstellen können.
Viele Menschen kamen auf der Suche nach Frieden und einem besseren Leben in unser Land. Unter ihnen auch Kinder und Jugendliche ohne Begleitung. Allein und auf sich gestellt.
Für diese besonders schutzbedürftige Gruppe mussten Lösungen für eine kindgerechte Unterbringung gefunden werden. Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher hat die Bundesregierung am 1. November 2015 den ersten Schritt getan und eine bundesweite Verteilung der Kinder und Jugendlichen auf die Bundesländer beschlossen.
Mit unserem Gesetzentwurf zur Ausführung des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs wollen wir heute die Verteilung der minderjährigen Schutzbefohlenen auf die örtlichen Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe in den Kommunen in Niedersachsen rechtlich verankern. Dabei steht uns das Kindeswohl, die bestmögliche Betreuung und Integration der jungen Menschen an erster Stelle.
Zuerst möchte ich mich für die ausführliche und intensive Ausschussberatung bedanken. Ich bedanke mich bei den Verbänden, die sich an der Anhörung beteiligt haben und uns mit ihren Stellungnahmen auf einem guten Weg begleitet haben. Vielen Dank!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir schaffen eine Rechtsgrundlage mit unserem Gesetzentwurf.
Erstens. Wir konkretisieren mit dem neuen 8. Abschnitt §16b die landesrechtliche Verteilungspraxis von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen auf die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Das geschieht nach Maßgabe von § 42 Abs. 3 Satz 2 des SGB VIII: „den spezifischen Schutzbedürfnissen und Bedarfe unbegleiteter ausländischer Minderjähriger“ und Abs. 5 Satz 1: „Geschwister dürfen nicht getrennt werden“, und unter Berücksichtigung der Einwohnerzahl im Zuständigkeitsbereich. Das Landesjugendamt weist die ausländischen Kinder und Jugendlichen unter dieser Maßgabe zu.
Zweitens. Darüber hinaus gewährt das Land wie bisher, über die Kostenerstattung nach dem SGB VIII hinaus, eine einmalige Verwaltungskostenpauschale (von 2.000 Euro) pro zugewiesener Person.
Drittens. Der neue § 16c sieht vor, dass die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe dabei die rechnungsbezogenen Vorgaben des Landesjugendamtes zu beachten haben.
Wir gehen mit dieser Verteilungspraxis einen wichtigen Weg. Von Anfang an wollen wir den Kindern und Jugendlichen eine neue Perspektive aufzeigen. Integration kann nur gelingen, wenn ein Zugang zu den Lebensbereichen einheimischer Jugendlicher gegeben ist. Das gelingt im Sportverein und in Bildungseinrichtungen am besten. Dafür sind die Jugendämter in den Kommunen nach Erfahrung sehr gut aufgestellt.
Mit dem Spracherwerb, dem Zugang zu Bildung und der Chance auf Beteiligung legen wir den Grundstein für eine gute Zukunft fernab der eigenen Herkunftsländer.
Durch die angemessene Verteilung auf die Einzugsbereiche der öffentlichen Jugendhilfe beugen wir der Überlastung einzelner Regionen und Einrichtungen vor.
Erstens entlasten wir demnach die Kommunen mit Erstaufnahmeeinrichtungen und die Verkehrsknotenpunkte, an denen besonders viele Asylsuchende ankommen.
Zweitens – und das ist unser Hauptanliegen – ermöglichen wir den jungen Schutzsuchenden die bestmögliche Chance auf einen guten Start in der neuen Heimat!
Mit diesem Gesetzentwurf gelingt uns dieser Spagat zwischen rechtlicher Verteilungspraxis und den besonderen Belangen der Schutzbefohlenen. Wir wollen den Kindern und Jugendlichen auch im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention gerecht werden. Die Kinderrechtskonvention ist eindeutig: Für alle Kinder, egal welcher Herkunft, gilt gleiches Recht! Als Fraktion, die sich für Kinderrechte im Grundgesetz einsetzt, ist das selbstverständlich und verpflichtend!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ein besonderes Anliegen meiner Fraktion ist die Partizipation von Kindern und Jugendlichen. Auch hier denken wir natürlich nicht exklusiv, sondern beziehen alle Jugendlichen ein!
In der letzten Wahlperiode haben wir den Landesjugendhilfeausschuss wieder eingeführt und als zweites deutsches Flächenland eine Kinderkommission eingesetzt. Ich möchte in Erinnerung rufen: Über den Landesjugendhilfeausschuss wird die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen und freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe in Niedersachsen gewährleistet.
Die Kinderkommission haben wir in die neuen, modernen Strukturen der niedersächsischen Kinder- und Jugendpolitik integriert. Sie fungiert als weiterer Baustein der Fachlichkeit und Beteiligungskultur junger Menschen auch als Beschwerde- und Ombudsstelle in unserem Land. Unsere oberste Priorität war es schon damals, die Chancengerechtigkeit der jungen Niedersachsen herzustellen – ganz nach der UN-Kinderrechtskonvention und unabhängig der Herkunft!
Wir haben beschlossen, die Kinderkommission in Kinder- und Jugendkommission umzubenennen. Ganz nach der gesetzlichen Definition von 0-21 Jahre.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
heute wollen wir beschließen, die Kinder- und Jugendkommission in das Niedersächsische Gesetz zur Ausführung des SGB VIII aufzunehmen. Wir wollen nicht mehr auf diese wichtige Kommission verzichten und deshalb soll sie im 9. Abschnitt mit dem § 16d eine rechtliche Grundlage erhalten.
Grundverständnis dieses Gremiums ist es, dass sich die Mehrheit der Mitglieder immer aus externen Expertinnen und Experten zusammensetzt, um nicht einen Unterausschuss zu repräsentieren, sondern wirklich ein Fach- und Beratungsgremium zu schaffen. So stellen wir sicher, dass parteipolitische Erwägungen in den Hintergrund treten!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Tätigkeit sowohl des Landesjugendhilfeausschusses als auch der Kinder- und Jugendkommission ist an die Wahlperiode gebunden. Die Regierungsbildung kann jedoch mitunter viel Zeit in Anspruch nehmen.
In der letzten Legislaturperiode hat es eine große Befragung zur Partizipation von Jugendlichen in den Kommunen geben. Die Ergebnisse sollten schon lange öffentlich vorgestellt und diskutiert werden. Doch durch die Rechtsunsicherheit, ob es dieses Gremium überhaupt weiter geben wird, ist wertvolle Zeit verstrichen.
Deshalb ist es wichtig, § 10 Abs. 9 bzw. den neuen § 16d im Gesetz zur Ausführung des SGB VIII dahingehend zu erweitern, dass der Landesjugendhilfeausschuss bzw. die Kinder- und Jugendkommission nach Ablauf einer Wahlperiode ihre Tätigkeit bis zur ersten Sitzung des neugebildeten Landesjugendhilfeausschusses fortsetzen wird!
Es ist wichtig, dass wir unsere Gremien der Jugendarbeit und Jugendpartizipation rechtlich verankern, und dass wir das zeitnah tun! Damit gewährleisten wir Kontinuität und bekennen uns ganz klar zu einer modernen und umfassenden Jugend- und Beteiligungspolitik!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich freue mich daher sehr, dass wir diesen Änderungsvorschlag zur Stärkung der Belange der Kinder und Jugendlichen ebenfalls in unseren Gesetzentwurf und in das Gesetz zur Ausführung des SGB VIII aufnehmen können.
Ich bedanke mich und bitte Sie, unserem Gesetzesentwurf zuzustimmen.