Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ohne Frage steht der Kinderschutz in Deutschland derzeit vor sehr großen Herausforderungen.
Zum Entsetzen aller kommt es immer wieder zu sexuellen Übergriffen auf Schutzbedürftige.
Die Stadt Lügde hat aufgrund der Vorkommnisse auf einem Campingplatz traurige Berühmtheit erlangt; doch es handelt sich dabei um keinen Einzelfall.
Zahlreiche Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche haben in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen die Gesellschaft und Politik gleichermaßen erschüttert.
Die Opfer sind noch heute traumatisiert und ihr Vertrauen in Einrichtungen, die ihnen Schutz gewähren sollten, ist nachhaltig zerstört. Sie werden lebenslang das Leid, das man ihnen zugefügt hat, nie vergessen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wir sind es den Opfern schuldig, dass wir über die Fraktions- und Parteigrenzen hinweg alles in unserer Kraft stehende unternehmen, damit sich solche Verbrechen nicht wiederholen.
Das „ohrenbetäubende Schweigen“, wie es der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung nennt, muss ein Ende haben!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wir haben uns intensiv im Parlament mit der Aufarbeitung beschäftigt. In einer umfassenden Anhörung im Sozialausschuss mit Expertinnen und Experten, der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter, den kommunalen Spitzenverbänden und vielen anderen wichtigen Akteuren haben wir uns ihre fachliche Einschätzung zu Handlungsbedarfen erläutern lassen.
Auch eine Betroffene wurden gehört. Für ihre Offenheit über das ihr angetane Leid zu berichten, möchte ich mich an dieser Stelle besonders bedanken. Viele der wichtigen Hinweise aus dieser Anhörung sind in unseren Antrag eingeflossen.
Unsere Sozialministerin Carola Reimann hat nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle umgehend gehandelt und die Präventionskette überarbeitet, sowie Schnittstellen zu anderen Ministerien gründlich überprüft.
Sie hat ihren Fokus auf die Zielgruppen geändert und das Hilfesystem nach Defiziten durchleuchtet und daraufhin eine Bildungs- und Informationsoffensive anschieben lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das allein ist aber leider nicht ausreichend
Wenn man sich nun einmal vor Augen führt, dass laut Statistik in jeder Klasse ein Kind sitzt, das von Missbrauch betroffen ist, so muss auch die Frage gestellt werden, warum die Signale der Kinder so oft nicht erkannt werden.
Kinder vertrauen sich am ehesten ihnen nahestehenden Personen an, zum Beispiel ihrer Lieblingserzieherin, einem Lehrer.
Aber nicht immer sind sie in der Lage, die Situation richtig einzuschätzen, oder sie haben Sorge, jemanden unbegründet zu beschuldigen.
Es ist deshalb unabdingbar, dass Kinderschutz und Kindeswohl zu einem festen Bestandteil der Curricula in Ausbildung und Studium werden, sowie ein verpflichtender Baustein bei Fortbildung werden. Zur Erarbeitung der Curricula ist es notwendig auch mit den Ermittlungsbehörden zusammenzuarbeiten.
Sie haben Erkenntnisse darüber, wie Täterinnen und Täter vorgehen, sie können wichtige Hinweise auf Täterverhaltensweisen geben und so dazu beitragen, dass Kindermissbrauch frühzeitig erkannt werden kann.
Dieses Wissen ist für zukünftige Erzieherinnen und Erzieher, sowie Lehrkräfte essenziell! Die Zusammenarbeit von Kindergärten, Schulen, dem Gesundheitswesen, sowie den Ermittlungsbehörden muss so gestaltet werden, dass der Schutzauftrag zum Wohle der Kinder lückenlos erfüllt wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Die Kinderschutzzentren in Niedersachsen leisten schon jetzt wichtige Arbeit.
Sie helfen Problemlagen wahrzunehmen und geben Sicherheit bei der Einschätzung von Gefährdungssituationen. Sie bieten neben (Fach-)Beratungen auch Schutzkonzepte für Fortbildungen und Fachtagungen.
Es ist notwendig, diese Fachkompetenz bekannter zu machen und die Beratungsfunktion weiterauszubauen.
Um ein flächendeckendes Angebot anzubieten, soll neben Osnabrück, Hannover, Oldenburg ein weiteres Kinderschutzzentrum im Raum Braunschweig entstehen, um einen durchgehenden Niedersachsenstandard in der Jugendhilfe zu schaffen, der unabhängig vom Wohnort des Kindes gleichwertige Kinderschutzbedingungen garantiert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
neben den Kinderschutzzentren müssen auch die Jugendämter bei ihrer Arbeit unterstützt werden, wie uns die Missbrauchsfälle gezeigt haben.
Neben einer Vereinheitlichung der Prozesse und Abläufe zwischen den einzelnen Jugendämtern, basierend auf den Empfehlungen und Handlungsvorschläge der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter (AGJÄ), muss auch eine Überprüfung des uneingeschränkten Elternrechts erfolgen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Kinderschutz muss auf Zusammenarbeit setzen.
Es ist darum notwendig, die Verpflichtung zur Kooperation und Information gesetzlich zu verankern.
Wir fordern mit unserem Antrag auch eine Änderung des SGB VIII auf der Bundesebene, um so die Schaffung einheitlicher Standards bei Dokumentations- und Informationspflichten, insbesondere auch zum Austausch zwischen den Bundesländern, voranzutreiben.
Hierzu gehört auch die Schaffung einer Fach- und Rechtsaufsicht des Landes. Dadurch kann eine zentrale Stelle gegen Missbrauch beim Landesjugendamt angesiedelt werden, die den Jugendämtern und den Betroffenen als ebenfalls als Ansprechpartner dienen kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Es liegt jetzt an uns zu handeln.
Es liegt in unserer Hand den Opfern zu helfen.
Mit unserem Antrag werden wir mithelfen, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen.
Vielen Dank.