Redebeitrag: Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,

ganz Europa schaut auf Deutschland.

heute übernimmt die Bundesrepublik Deutschland für die kommenden sechs Monate den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Das ist eine große Ehre, die mit großer Verantwortung verbunden ist. Wir wollen zum Erfolg der deutschen EU-Ratspräsidentschaft beitragen und heute unseren Antrag „Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft“ ganz unter dem Motto der Bundesregierung:

„ Gemeinsam. Europa wieder stark machen“

zur abschließenden Beratung einbringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Deutschland hat die historische Verantwortung, Europa in der Krise zusammenzuhalten.

Die Wirtschaft wieder anzukurbeln, ist eine der wichtigsten Aufgaben, die es anzupacken gibt. Ansonsten droht Europa ein verlorenes Jahrzehnt, wenn die Europäische Union nicht wieder auf die Füße kommt, dann wird uns das in Deutschland auch nicht gelingen. Wir sind Exportregion und brauchen die Belebung des europäischen Binnenmarktes.

Gemeinsam mit anderen pro-europäischen Ländern muss Deutschland eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der COVID-19 Pandemie und beim Klimaschutz einnehmen.

Nie zuvor war die Ratspräsidentschaft so bedeutsam wie heute. Corona und seine medizinischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen stellen alle 27-EU-Mitgliedsstaaten vor gewaltige Herausforderungen.

Den Vorschlag von Bundeskanzlerin Merkel und Bundesfinanzminister Scholz, einen europäischen Wiederaufbaufonds einzurichten, unterstützen wir mit Nachdruck. Ich hoffe, dass sich alle EU-Mitgliedsstaaten auf die Pläne der Kommission – 750 Milliarden für den Wiederaufbaufonds und 1,1 Billionen für den Mehrjährigen Finanzrahmen – verständigen werden.

Das schuldenbasierte Programm der EU-Kommission soll die vom Coronavirus und seinen wirtschaftlichen Folgen besonders hart getroffenen EU-Staaten wiederaufrichten.

Italien und Spanien sind am stärksten von der Pandemie betroffen und hoffen auf schnelle Unterstützung durch ihre europäischen Freunde.

Wir werden alles dafür tun, um zu verhindern, dass die gemeinsame Wirtschafts- und Währungszone zerbricht. Der Schaden für die EU-Mitglieder, besonders für eine Exportnation wie Deutschland, wäre unermesslich.

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Es wird für alle Nationen ein gewaltiger Kraftakt werden, aber nur mit gemeinsamer Solidarität werden wir diese Krise bewältigen können und die Zukunft Europas sichern!

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,

Was wäre Europa ohne Schengen?

Das Schengen-Abkommen hat am 14.  Juni seinen 35. Geburtstag gefeiert und die Grenzen waren zum ersten Mal wieder geschlossen.

Die Pandemie hat uns auf eine harte Bewährungsprobe gestellt. Das zeitweise erforderliche schließen der Grenzen zu unseren Nachbarländern hat zur Verunsicherung und Vertrauensverlust geführt.

Erstmals haben wir gespürt, wie verletzlich wir sind und wie sehr wir unsere Europäischen Nachbarn brauchen.

Vor diesem Hintergrund stellen wir konkrete Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Mit Fleiß und Engagement muss Deutschland Europa zusammenhalten, damit wir gemeinsam die Herausforderungen unserer Zeit meistern können.

Das Vereinigte Königreich ist zum 31.1.2020 aus der EU ausgetreten. Die Gefahr eines ungeregelten Brexits konnte zunächst gebannt werden. Der Juli dürfe ein entscheidender Monat für die zukünftigen Beziehungen werden. Es steht die vorerst letzte Verhandlungsrunde zwischen beiden Seiten an.

Die EU muss während der deutschen Ratspräsidentschaft dem britischen Premierminister Boris Johnson selbstbewusst gegenübertreten und einen für beide Seiten ökonomisch verträglichen Deal aushandeln.

Die Bedeutung einer fairen Verständigung über die Fischereirechte für den Fortbestand der niedersächsischen Hochseefischerei muss dabei angemessen Berücksichtigung finden. Im Falle eines Antrages für einen verlängerten Übergangszeitraum fordern wir, diesen zu unterstützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

eine Pandemie zeigt Probleme wie unter einem Brennglas. In Europa und in Deutschland waren Schutzanzüge und Masken Mangelware. Gesundheitspersonal musste geschützt werden und der Markt der angeblich alles richtet, war leergefegt.

Und der Markt bestimmt den Preis. Eine Maske, die vorher 0,35 € kostete, konnte man zu einem Preis von 3,50 – 50 € erwerben.

Zeitweise war auch ein Engpass bei Arzneimitteln zu spüren. Die Abhängigkeit vom asiatischen Markt hat zu besorgniserregenden Lieferengpässen und Versorgungslücken führt.

Wir müssen in Europa bei unserer Arznei- und Medizinprodukteversorgung dringend wieder unabhängiger werden. Die COVID-19-Pandemie hat das uns allen erneut schmerzhaft vor Augen geführt.

Unser Antrag hat das Ziel einer europäischen Selbstversorgung. Es muss auf eine vermehrte Produktion von Pharmazeutika und deren Vorstufen in möglichst mehreren Mitgliedstaaten der EU und die ausreichende Bevorratung lebenswichtiger oder aus anderen Gründen besonders wichtiger Medikamente und Medizinprodukte in den Mitgliedstaaten gedrungen werden.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,

Neben der Pandemie-Bekämpfung wird der Klimaschutz natürlich einen inhaltlichen Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft bilden. Trotz des Fokus auf dem Corona-Virus haben wir dieses Thema nicht aus dem Blick verloren. Ich denke da vor allem an die Verhandlungen der EU-Kommission mit den Mitgliedsstaaten zum europäischen Green Deal.

Der Friedensnobelpreisträger und einstige Bundeskanzler Willy Brandt soll einmal gesagt haben: „Wir brauchen die Herausforderung der jungen Generation, sonst würden uns die Füße einschlafen.“ Wie recht er doch hatte – insbesondere in Hinsicht auf die europäische Umweltpolitik. Dem Engagement von „Fridays for Future“ ist es mit zu verdanken, dass sich die EU das ehrgeizige Ziel gesetzt hat, bis 2050 klimaneutral zu werden.

Wir stehen an der Seite der Jugend und fordern, dass die Bundesregierung die EU-Kommission bei ihren Bemühungen um einen Green Deal weiterhin aktiv unterstützt.

Wir müssen zum Wohle Europas und seiner kommenden Generationen investieren. Nur so hinterlassen wir unseren Kindern keine neuen Schuldenberge, sondern Märkte, Arbeitsplätze, Innovationen – die Grundlage für den Wohlstand von morgen. Dies gilt für alle Mitgliedstaaten.

(Grüne und FDP haben Änderungsantrage zu unserem Antrag eingereicht. Es wurden dort gute Überlegungen aufgeführt. Allerdings hätte ich mir bei einem so wichtigen Thema gewünscht, dass die Anträge nicht 24 Stunden vor der Ausschusssitzung eingereicht werden – wer es ernst meint, muss einem auch ausreichend Zeit zur Beratung geben)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,

die Koalitionsfraktionen der CDU und der SPD fordern neben den bereits genannten Punkten mit Blick auf die anstehende deutsche EU-Ratspräsidentschaft die Landesregierung auf

  • sich für eine Stärkung des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten sowie der Europäischen Arzneimittel-Agentur einzusetzen,
  • sich dafür einzusetzen, dass die Beachtung des Rechtsstaatsprinzips konstitutives Element der EU-Mitgliedschaft und unabdingbare Voraussetzung für den Erhalt von Fördermitteln der EU bleibt,
  • das Ziel zu verfolgen, dass junge Menschen vor ihrem 25. Lebensjahr die Möglichkeit bekommen, mindestens zwei Wochen den Alltag in einem anderen europäischen Land mitzuerleben und in dieser Hinsicht die Mittel des Programms Erasmus+ auszuweiten,

und sich gegenüber der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass

  • sie sich auf europäischer Ebene weiterhin für möglichst ungehinderte Güterverkehre einsetzt,
  • eine Modernisierung und Weiterentwicklung des europäischen Foreign Direct Investment Screening-Systems zu einem wirksamen Schutzmechanismus für wichtige Zukunftssektoren vorangetrieben wird,
  • auf europäischer Ebene verstärkt Maßnahmen zur Förderung offener Wissenschaft ergriffen werden und dafür zu sorgen, dass Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung in öffentlicher Hand bleiben,

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,

unser Ziel ist ein solidarisches Europa. Helfen Sie mit, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft als eine Erfolgsgeschichte zu gestalten und stimmen Sie für unseren Antrag!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.